KINDERTRAGÖDIE

von Karl Schönherr


Ausstattung: Sabine Ebner

Dramaturgie: Elisabeth Geyer

mit Andrea Bröderbauer, Annette Isabella Holzmann und Roman Schmelzer


PREMIERE 14. FEBRUAR 2014

 

Die Försterei in Karl Schönherrs Kindertragödie ist eigentlich ein Hochsitz. Unter der Kuppel des Volkstheaters, dort, wo die großen Stücke im Kleinen geprobt werden, liegt der "Schwarze Salon". […] Blut und Boden sind keine Kategorien, mit denen man Schönherrs Kunst zu fassen kriegte. […] Philip Jenkins' Inszenierung ist der gelungene Versuch einer Verbrüderung mit dem Arzt und Diagnostiker Schönherr. Bei ihm gehören die drei Geschwister (zwei Buben, ein Mädchen) in die Welt der sozialen Verlierer. […] Die Mutter, die vor allem den Zweitgeborenen schätzt, nützt die Pirschgänge des Gemahls aus. Das Bewusstsein von der mütterlichen Untreue gleicht einer Vertreibung aus dem Paradies. Zäh plagen sich die Kinder an der Schuldfrage ab. Das detektivische Interesse überlagert sich verwirrend mit der Einsicht in die Bodenlosigkeit des Daseins. Bitter altklug ist die Tochter, verträumt putzt der Ältere die Dias mit Ansichten von der Kinderwelt. Sie sind Figuren von heute, denen das Pech vergangener Tage an den Schuhen klebt. Die Kindertragödie - ein kräftiges Lebenszeichen. Nicht erst seit Kusejs Weibsteufel-Inszenierung wäre Platz für Schönherr, den vergessenen Skeptiker aus Tirol.

Ronald Pohl, DER STANDARD

 

In Karl Schönherrs Kindertragödie wird der Verfall einer Familie allein aus Sicht der Kinder erzählt. (…) Das Licht bleibt dezent in der dichten Inszenierung von Philip Jenkins, die vor allem durch die Schauspieler (A. Bröderbauer, A. Isabella Holzmann, R. Schmelzer) berührt. Mit Schönherrs poetischem Dialekttext, der 1918 am Volkstheater uraufgeführt wurde, gehen sie behutsam um.

FALTER

 


Am Volkstheater wird Karl Schönherrs „Kindertragödie“ neu entdeckt. Im Grunde ist „Kindertragödie“ erst jetzt aktuell. Tatsächlich wirkte vorgestern die Beklommenheit der Kinder, nachdem sie alles begreifen, ihre Ohnmacht bestürzend echt. Regisseur Philip Jenkins inszeniert weder historisch noch aktuell. Die drei Mimen vermitteln wunderbar die besondere Vertrautheit, die Geschwister zu allen Zeiten untereinander haben. (…) Da wird es eher still im einst trauten Heim, in der bis eben noch turbulent-lustigen Kleinfamilie.
FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG

 

(...) Umso höher ist zu schätzen, dass das Volkstheater zu einem von Schönherrs kleinen, konzentrierten Meisterstücken greift, wobei diese „Kindertragödie“ von 1918 „Heimvorteil“ hatte, wurde sie doch in diesem Haus, damals noch das „Deutsche Volkstheater“, 1919 uraufgeführt. (...) Theaterinteressierte sollten die Gelegenheit nicht vorbei gehen lassen, das Stück kennen zu lernen – denn die Aufführung, die der aus Heidelberg stammende Philip Jenkins geschaffen hat, ist wirklich in hohem Maße bemerkenswert. (...) Drei Kinder, zwei Buben, der Franzl ist 15 und der Liebling der Mutter, Hans ist 18 und will sich erwachsen fühlen, zwischen ihnen die 16jährige Liesl, die schon Verehrer abweisen muss. Eine ganz normale Geschwisteraufstellung innerhalb einer offenbar ganz normalen Familie, die gar nicht im Förstermilieu spielen muss, auch anderswo kann die Bindung an durchaus bewunderte Eltern stark sein. Was Schönherr aufzeigt und Jenkins so überzeugend zu uns herholt, ist das Leiden der Kinder, wenn der Bund der Eltern auseinander bricht – jeder Anwalt, jeder Psychologe könnte beim Thema von „Scheidungskindern“ den Dichter konsultieren. (...) Die Darsteller des Volkstheaters sind bemerkenswert. Dabei sind alle drei „erwachsen“, keine Jugendlichen, das ergibt einen Verfremdungseffekt, der dem Stück gut tut und seine Allgemeingültigkeit noch deutlicher herausarbeitet. Man hätte zwar vielleicht einen jungen Burschen finden können, aber wenn man Annette Isabella Holzmann sieht, wünscht man sich nichts anderes als zuzusehen, wie sie diesen kleinen, noch kindhaften Franzl und sein überbordendes Leid am Verlust der Mutter zeichnet. Andrea Bröderbauer entwickelt aus der braven Tochter eine Aufmüpfigkeit, die aus ihrer Erkenntnis des „schlechten Vorbilds“ erwächst – und auch Roman Schmelzer als älterer Bruder weiß nicht, wie er ohne den Glauben an die Menschen, ohne die Parameter vorgegebenen „richtigen“ Tuns selbst handeln soll. Als er das Gewehr hebt, hat Schönherr seinen Charakter ganz genau gezeichnet – so dass man weiß, dass er auf den Liebhaber der Mutter nicht schießen wird. Einen Toten gibt es dennoch… Eine starke Stunde unter dem Dach des Volkstheaters. Nichts wie hin!

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